Gastkommentar: PAUHOF
20. Dezember 2011 von GastKommentierenEmpfehlenPAUHOF Architekten sind Michael Hofstätter und Wolfgang Pauzenberger. Sie setzen sich seit 1986 leidenschaftlich und unbestechlich für einen visionären Städtebau vor allem in Wien und Linz ein. Ihre Wettbewerbsbeiträge und die dazugehörigen Modelle wurden weltweit ausgezeichnet und ausgestellt, u.a. im ArchiLab Orléans in Frankreich oder bei der Biennale in Venedig. Mit ihren „szenischen Verdichtungen“ suchen sie nach neuen Instrumenten der Planung und Möglichkeiten der Bildproduktion um der Komplexität der heutigen und zukünftigen Stadtplanung gerecht zu werden. (Einleitung Lorenz Potocnik)
Die nunmehr publik gewordenen Aktivitäten rund um die Weiterverwendung der Tabakfabrik Linz scheinen aus unserer Sicht völlig aus den Fugen zu geraten – aus den Fugen der Vernunft, aber auch aus denen der guten Sitten. Die von der Politik in Aussicht gestellten Pläne können wir aus unserer Erfahrung nur als signifikant visionslose Signale lesen. Oder haben wir etwas übersehen?
Seit etwa zwei Jahren beschäftigt sich eine Menge an unabhängigen Kreativen mit dem Thema Tabakfabrik und speziell damit, wie diese der übergroßen Herausforderung gemäß in Zukunft genutzt werden könnte: Welche Verfahren, Methodiken, welche Dramaturgien es brauchen würde, welche Prozesse mit der Projektentwicklung einherzugehen hätten, um einem der konsequentesten Industriebauten der Moderne gerecht zu werden. Was alle Überlegungen und Initiativen gemeinsam haben, ist das Suchen nach Lösungen, die gewaltigen Dimensionen des ehemaligen Fabriksareals in einem übergeordneten Sinne für die Stadt wirksam werden zu lassen – stadtfunktional und stadträumlich. Ohne transdisziplinäre, systemanalytische Verfahren und interdisziplinäre Kooperationen wird man zu keinen Ergebnissen kommen, die auch internationalen Maßstäben standhalten, so der Tenor aller Involvierten.
Die noch immer spürbare, enorme architektonisch-kulturelle Kraft des Industriebaus aus den 30er Jahren – von Behrens und Popp – sollte uns aber weder in Mutlosigkeit im Umgang mit der architektonischen Substanz erstarren lassen, noch sollte die bis jetzt verstrichene Zeit (seit dem Kauf des Areals) Anlass zu planlosen Besiedelungsstrategien und panikartigen Vermietungen geben – davon war unseres Wissens nie die Rede.
Erst jüngst haben sich in einem zwei-tägigen Workshop die unterschiedlichsten Akteure und Aktivisten zu einem ‚Zwischenstop’ koordiniert, die bisherigen Erfahrungen ausgetauscht und vor allem den Wissensstand im Hinblick auf Zwischennutzungen aktualisiert. Über 30 Expertinnen der lokalen und regionalen Initiativen und Gruppen wie Kulturquartier Tabakfabrik (kuqua), Kupf, umbauwerkstatt, theaternyx, RedSapata, otelo, NANK, Fruchtgenuss, Schwemmland sowie PAUHOF-Architekten und noch viele mehr haben zusammengearbeitet. Die Ergebnisse und Angebote wurden über eine Pressekonferenz zwei Tage später für alle transparent gemacht.
Die unisono konstatierten städtebaulichen Potentiale des Gesamtensembles der Tabakfabrik würden – fachspezifisch – auf einen klaren Konsens verweisen, nämlich dass mit der Tabakfabrik nicht nur ein stadtstrategisch wichtiges Einzelobjekt zur Diskussion steht, sondern dass hier eine völlig neue, komplexere Methodik der Stadtplanung Anwendung finden müsste, um Architektur und Städtebau zu einem identitätstiftenden Gesamtorganismus zu steigern.Es bedarf unserer Meinung nach also dringend eines Gegenmodells, einer Gegenstrategie – wir nennen es hier kurz ‚szenarische Verdichtungen’, die Bilder davon zeigen, wie Stadtgrundriss und Stadtlandschaft, wie Stadtkultur und Infrastruktur parallel entwickelt werden, wie Urbanität und Mobilität, Ruhe und Aktivität, Flächen und Funktionen, Effizienz und Partizipation in einer evolutionären Verschränkung versöhnt werden können.
Die Arbeiten von PAUHOF im Bezug auf die Tabakfabrik wurden im Rahmen des Docomomo-Symposiums ‘Starkes Rauchzeichen’ am 7. Mai 2011 in den ehemaligen Austria Tabakwerken Linz vorgestellt. Die Grundlagen dazu wurden im Rahmen eines von departure geförderten Projekts, „StadtSzenarien als MetaModelle“ erarbeitet.