Gastbeitrag: Thomas Duschlbauer

23. Dezember 2011 von KommentierenEmpfehlen  

Thomas Duschlbauer ist Kommunikations- und Kulturwissenschaftler mit Sitz in Linz. Aktuell arbeitet er verstärkt im Verein Kreatives Oberösterreich.
Der Arbeitsschwerpunkt liegt dabei in der Vernetzung sowie der Internationalisierung der kreativen Szene Oberösterreichs. Die Erforschung von Phänomenen und Zukunftsprognosen rund um die Kreativwirtschaft und Unterschiede zwischen der Außenwahrnehmung und den realen Lebensumständen der Kreativschaffenden stehen neben einer grundsätzlichen Erweiterung des Begriffs der Kreativen im Mittelpunkt.

Logo: Kreatives Oberösterreich

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Die Kreativen als neue Hopi-Indianer

Jüngst hat ein Indianer mit seiner Panflöte bei Deutschlands populärster Talenteshow gewonnen. Sein größter Wunsch sei es, für seine Familie ein Haus zu bauen. Wie kein anderer verkörpert er als „edler Wilder“ insgesamt wohl das, was die Gesellschaft heute auch von der Kreativwirtschaft erwartet. Er selbst ist so etwas wie ein Hybrid an projizierten Klischees, da er ebenfalls dieser Kreativwirtschaft angehört, die mit dem Mangel hauszuhalten und viele Kunststücke und Verrenkungen aufzuführen hat, um vielleicht einmal ein Sieger zu sein und etwas am Überfluss teilhaben zu dürfen. Es wird auch keine Gelegenheit ausgelassen, um den Kreativen, die ja scheinbar in Überfluss vorhanden sind, den eigenen Mangel vor Augen zu führen. Sie brauchen ein Logodesign? Ein Webdesign? Bei 12designer.com haben Sie einen Pool von 17.000 Designern. Und einer von 12 verdient dann ein paar hundert Euro, wenn Ihnen der Entwurf zusagt. Die anderen Entwürfe können Sie einfach im elektronischen Papierkorb entsorgen – oder später gar für weitere Projekte als Inspirationsquelle benützen.

Der edle Wilde der Neuzeit ist der kreative Mensch. Ihm muss geholfen werden, weil er ansonsten mit seinen Fähigkeiten und Talenten in unserer Gesellschaft nicht überleben könnte. Sein Milieu gilt es zu durchdringen und daher zunächst intensiv zu erforschen. Wir müssen wissen, wie er sich vernetzt, wo seine Potenziale vorhanden sind etc., damit er gezielt Unterstützung erfahren kann. Damit er sich mit seinem Businessplan einen fetten Investor angelt, damit er mit Seinesgleichen Cluster bildet und in der Lage ist, ein anständiges EU-Projekt abzuwickeln.

Ähnlich wie die Hopi-Indianer sind Kreative daher sehr „gefragte“ Menschen, die vielen Forschern und Consultern eine sichere Existenzgrundlage verschaffen. Darüber hinaus sind sie gerne gesehen, weil wir uns an ihren Verrenkungen erfreuen und einem das Herz dabei übergehen kann, zu erleben, wie sie sich kunstvoll durchs Leben schlagen und dabei das Gelernte anwenden. Weil es sie aber in Überfluss gibt und sie nicht bequem in einem Hinterhof stapelbar sind, brauchen sie Platz. Dafür eignen sich am besten Leerstände bzw. Immobilien, die von anderen nicht mehr bezogen werden können oder wollen.

Die Problematik des industriellen Leerstandes ist daher auch unmittelbar mit der Entdeckung der Kreativwirtschaft – wie sie zumindest in den meisten Köpfen der Verwaltung und Politik heute noch verstanden wird – verbunden. Der Leerstand ist das ideale Reservat für den edlen Wilden, weil er in seiner Genügsamkeit ohnehin das Abgenutzte, das Abgefuckte, den Trash bevorzugt. Er liebt es quick & dirty. Der Kreative, der ja stets zu verwalten und immer Teil der Planung ist, braucht dort jedoch gewisse Regeln und Auflagen, da er gemeinhin zum Experiment neigt und in so einem Objekt seinem Gestaltungswillen freien Lauf lassen könnte. Von diesen Reservaten aus könnte es ihm sogar gelingen, mit seinen Ideen, Einstellungen und Werthaltungen auf andere Bereiche unserer Gesellschaft zu wirken und somit überhaupt die bestehende Verteilung von Mangel und Überfluss in Frage zu stellen. Ein Leerstand ist allerdings als Rückzugsgebiet und als Heim- und Herdstätte für das Kochen auf mittlerer Flamme gedacht und nicht als Aufmarschgebiet für neue Ideen und radikale gesellschaftliche Innovation.


Grafiken: Thomas Duschlbauer

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