„DER GANZE BEHRENS“ – Vortrag von Hartmut Frank
12. November 2010 von Gunar WilhelmKommentierenEmpfehlenMitschrift des Vortrags im Rahmen des Symposiums prepare! zur Zukunft der Tabakfabrik
Ziel des Vortrages ist es die Einzigartigkeit und die Bedeutung des Werkes von Peter Behrens zu vermitteln. Vor allem seine Tätigkeit in Österreich sowie die Zeit nach der AEG, ist in der Literatur völlig unterbelichtet und möchte herausgehoben werden.
Bei Behrens‘ letztem großen Industriebau, der Tabakfabrik Linz gibt es international immer wieder große Überraschung über den ausgezeichneten Zustand der Fabrik. In der Festschrift zur Eröffnung des Bauwerks betont Behrens, dass ihm die Gesamtheit (wir verstehen das heute als ein Gesamtkunstwerk) am Herzen lag. Ein Jahr später (also 1936) veröffentlicht Alexander Popp eine Schrift über den Bau der Tabakfabrik in der Peter Behrens nur am Rande erwähnt wird. In der Ausstellung über den in Linz verstorbenen Popp im Nordico Stadtmuseum 1991 wird die Autorenschaft von Peter Behrens sogar hinterfragt.
Zur Klarstellung, Popp hatte vor allem die Bauleitung und die Umsetzung übrig, die Qualität der Tabakfabrik aber kann in keinem Fall mit dem restlichen Werk Popps mithalten. Dies unterstreicht die Autorenschaft von Behrens.
Die bekannte, weiß gebänderte Rückfassade mit den durchgehenden Fensterbändern entspricht den Klischees seiner Zeit und unterstreicht seine Funktion, die Zigarettenproduktion „am laufenden Band“. Die Heizzentrale im Hof und die Eingangssituation von der Hafenstraße kommend, sind im Gegensatz dazu ganz anders. Das Kraftwerk ist plastisch, persönlich, und schafft so einen Bezug zur AEG in Berlin.
Behrens ist 1868 geboren und starb 1940. In der Literatur taucht er meist gemeinsam mit Le Corbusier und Mies Van der Rohe auf. Behrens war international so bekannt, dass viele junge Architekten bei ihm arbeiten wollten.
Als Sohn einer Haushälterin eines Gutsbesitzers war er bürgerlich bemüht und genoss eine gute Ausbildung. Er begann seine Karriere als Maler erst in Düsseldorf und dann in der Münchner Sezession. Dort wandelte er sich immer mehr zum Kunsthandwerker, ein üblicher Wandel in der Epoche des Jugendstils.
Der für ihn so bezeichnende Anspruch ein Gesamtkunstwerk zu schaffen taucht erstmals bei einem Entwurf für eine Tischsituation auf, bei der von der Serviette bis zu den Gläsern alles in Abstimmung gestaltet ist. Dieses Thema findet seine Fortsetzung in seiner Inszenierung des Weihespieles und reicht bis in den späteren Industriebau. Dabei ging es ihm darum, die künstlerische Kultur im allgemeinen und für das Bürgertum im Besonderen zu heben. In der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt kann er sich aufgrund seines Vermögens vom dort dominierenden Joseph Maria Olbricht lossagen und sein eigenes Haus als Gesamtkunstwerk bauen. Wenig später präsentiert er mit der Gestaltung einer Bibliothek in Düsseldorf erstmals ein abstraktes Werk.
Als Professor an der Kunstgewerbeakademie in Düsseldorf hebt er die herrschende Kategorisierung auf und deklariert sich als Gestalter anstatt eines Grafikers, Malers oder Architekt. Er erarbeitet Schriftreformen, kontrolliert die Publizität von Delmenhorst Linoleum, verwirklicht verschiedene Ausstellungsarchitekturen und Pavillons. Darin erkennt man allmählich den Wandel vom Verständnis des Raumes als Graphiker hin zu einem architektonischen und räumlichen Verständnis. An diesem Punkt kann man auch eine intensive Auseinandersetzung mit Schinkel feststellen, sichtbar etwa am Haus Wiegand.
1907 wurde er Berater der AEG, einer damals aufstrebenden Elektro Gesellschaft. Die Anfangsaufgabe war die graphische Erscheinung zu koordinieren. Doch bald entwirft Behrens auch einen Ausstellungspavillon für die Geräte der AEG. Die Produkte „um den Motor herum“ mussten ja erst gefunden und erfunden werden. Hier griff Behrens ebenfalls in die Gestaltung ein. Bei der Architektur für die AEG versucht er stark von der Funktion auszugehen, besonders sichtbar an der weltbekannten Turbinenfabrik in Berlin Moabit. Dabei gestaltet er eine Fassade, die den Eindruck des Tragens suggeriert. Der Fokus liegt auf Erscheinung und Wirkung der Inhalte. Die Industriearchitektur wurde zu dieser Zeit als großes neues Feld der Architektur erkannt.
In den 1930er Jahren kam es dann zu einem Neuaufkommen des Monumentalismus. Das Gebäude der Deutschen Botschaft von Peter Behrens spiegelt dies wieder.
Behrens ist Mitbegründer des deutschen Werkbundes und treibende Kraft der Werkbundausstellung 1914. Er gestaltet dabei die Plakate und das gesamte Erscheinen der Ausstellung.
Es folgt eine Reihe von großen Ausstellungen in Basel, Bern, Zürich, Brüssel und viele mehr, wobei der Holzbau der Ausstellung in Bern von Le Corbusier als eine „Entgleisung“ seines alten Lehrmeisters und als rückwärts gewandt bezeichnet wird.
Während des Krieges plant Behrens mehrere Werksiedlungen für die AEG. Wie beim Industriebau war auch der Wohnungsbau bei den großen Architekten nicht als Betätigungsfeld etabliert.
1925 gestaltete er gemeinsam mit Hoffmann den österreichischen Pavillon bei der Weltausstellung in Paris, einem Stahl und Glasbau an der Seine, der durch die Beleuchtung von innen wirkte (vgl. Kraftwerk Tabakfabrik).
Ein Wohnhaus das er in England baute wurde als erstes Bauwerk der Moderne in Großbritannien bezeichnet.
Behrens wird zur Weißenhofsiedlung eingeladen und plant dort ein Terrassenhaus. In der öffentlichen Aufmerksamkeit wird Behrens in dieser Ausstellung von den jungen Architekten überholt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil er durch seinen „schweren“ Stil vom klassischen Bauhausstil abweicht (siehe Synagoge von Silain 1928).
1936 geht er zurück nach Berlin. Dort plant er die Hauptverwaltung der AEG bereits während der Zeit der Nationalsozialisten.
Seine heutige internationale Präsenz erlangte Behrens erst durch die Rezeption in Italien und später dann in Amerika in den 1960er bzw. 1970er Jahren. In Deutschland und vor allem in Österreich erreicht er nach wie vor nicht die gebührende Aufmerksamkeit, hier scheint eine Zusammenarbeit zwischen Linz und Hamburg in jedem Fall sinnvoll.
zur Person:
Hartmut Frank, Prof. Dipl.-Ing. Architekt, unterrichtet Architekturtheorie und Analyse Gebauter Umwelt an der HafenCity Universität Hamburg. Seit 2007 leitet er dort ein Forschungsprojekt zu Leben und Werk von Peter Behrens. In mehreren internationalen Kolloquien wurde hierzu der jüngste Forschungsstand ausgetauscht, mehrere Veröffentlichungen sind in Arbeit, darunter eine kritische Ausgabe der Schriften von Peter Behrens, ebenso eine größere Ausstellung mit dem Arbeitstitel ‚Der ganze Behrens’.