Gastkommentar: Profil bilden statt systemisch verschwimmen – „Das Konzept im Detail“ gegengelesen von Katharina Warta
24. Juli 2013 von Gast1Ich kenne die Tabakfabrik erst seit kurzem persönlich, habe dort im Juni die Projektschmiede „Ideen für Linz“ moderiert und durfte in kurzer Zeit die Vielfalt ihrer Nutzungen und NutzerInnen erfahren: der wunderbare, geschwungene Raum im 4. Stock von Bau 1, der mit seiner klaren Struktur und den Fensterfronten zu beiden Seiten sowohl Geborgenheit als auch Offenheit vermittelt; die Großzügigkeit des Hofs beim Durchstreifen des Bürgermeisterfestes; die Bandbreite der bereits dort eingezogenen MieterInnen und nicht zuletzt die erfahrene Hilfsbereitschaft von Nachbarn in der Stiege A, die uns mit ihrem Drucker aushalfen, um im letzten Moment noch Unterlagen zu produzieren.
Seit Ende Juni 2013 gibt es unter dem Titel „Das Konzept im Detail“ eine neue Seite auf der Homepage der Tabakfabrik, die die ursprünglichen Bereiche Vision, Mission Statement, Leitlinien sowie Organisation ergänzt. De facto wird hier der Entwicklungsprozess der Tabakfabrik jedoch mit einem Sammelsurium von Konzepten assoziiert, ohne dass man am Ende mehr über ihn weiß als zuvor:
Kreativbiotop, Inkubationsplattform für Netzwerk, Innovation und Produktion, ein internationaler Familienbetrieb, ein offener, digital vernetzter und kollaborativer Arbeitsort, eine Manufaktur der Neuen Moderne, ein FabLab, das Privatpersonen industrielle Fertigungsverfahren für Einzelstücke zur Verfügung stellt, ein Leuchtturmprojekt inmitten eines neu gedachten, neoindustriellen, kreativen Stadtteilsin Zukunftsraum, der die Lücke zwischen dem Zentrum und Donaulände, Hafenviertel, und Industrieraum Voestalpine schließt, pulsierendes Herz der Aorta, die sich quer durch Linz zieht.
Das sind alles Begriffe, die herangezogen werden, um zu beschreiben, was die Tabakfabrik alles sein oder werden soll. Das entworfene Bild ist attraktiv, und doch schwingt immanent eine Überforderung mit, weil es dermaßen auf Konsens, kreative Harmonie und Integration setzt, dass ich mich frage, wo sich ein subversives Element – und niemand wird leugnen, dass Innovation auch etwas mit creative destruction zu tun hat – hier seine Wege bahnen kann. Gerade absurd klingt diesbezüglich das Konzept eines „internationalen Familienunternehmens“, hat die Tabakfabrik als Ort der offenen Vernetzung doch nichts mit diesem klassisch mittelständisch-patriarchalischen Firmenmodell zu tun. (mehr …)